Samstag, 24. Oktober 2009

Markenrecht ist einfach nur albern

Diese Woche gab es einen großen Aufschrei aufgrund einer Abmahnwelle durch Jack Wolfskin gegen Bastler, die irgendwelche Produkte mit Tatzenabdrücken versehen. Mehr dazu gibt's vielerorts, z.B. bei Die Presse (ich finde derStandard.at eigentlich etwas besser, aber das verschwindet sicher bald im kostenpflichtigen Archiv).

Dass die Outdoor-Marke inzwischen unter dem Druck der Öffentlichkeit zurückrudern musste, ist aus meiner Sicht nicht sonderlich spannend.

Viel interessanter ist, dass der Fall eindeutig belegt: Markenrecht ist einfach nur albern.

Wie komme ich dazu? Nun, dazu muss ich als Technik-Journalist ausgerechnet in den Bereich Softwarepatente ausholen. Dort gibt es ein Prinzip, dass sich "Prior Art" nennt: Wenn etwas patentiert wurde, das zum Zeitpunkt der Patentierung bereits allgemein gebräuchlich war, hält das Patent vor Gericht letztendlich nicht stand - davon kann man sowohl in der EU als auch den USA ausgehen.

Das ist eine ziemlich intelligente Lösung, von der sich das Markenrecht dringend eine Scheibe abschneiden sollte.

Dass Jack Wolfskin auf den Tatzenabdruck überhaupt eine Marke bekommen hat, ist nämlich realistisch gesehen absolut lächerlich. Wo genau gab es da auch nur den leisesten Hauch einer Kreativleistung? Und der Nachweis, dass das Verzieren von Gegenständen mit einem Tatzenabdruck "Prior Art" ist, wäre wohl mehr als trivial. Wahrscheinlich könnte man sogar beweisen, dass ein Abdruck exakt in der Form der Jack-Wolfskin-Tatze schon früher verwendet wurde.

Vielleicht findet sich ja da draußen ein mutiger Anwalt, der versuchen möchte, ob Markenrecht wenigsten so sinnvoll ist wie Software-Patentrecht. Falls das rechtlich möglich erscheint, würde ich mich gerne für nötige Recherchearbeit melden. Jack Wolfskin hätte sich die Löschung der Bildmarke redlich verdient.

Sonntag, 18. Oktober 2009

Ein Liebesbrief an die Wiener Linien

Ich bin ja gespannt, ob die Wiener Linien auf meine heutige E-Mail reagieren werden:

Sehr geehrte Tarifabteilung,

mir Ende des Monats läuft meine aktuelle Jahreskarte aus und ich habe dementsprechend längst freundliche Reminder bekommen, dass ich diese doch erneuern könnte.

Ich frage mich nur, warum ich das tun sollte. Das Vertrauen in die Servicequalität der Wiener Linien ist ja hoffentlich kein Argument.

Diese Woche hatten wir erstmals ein Wetter, das man als so etwas ähnliches wie winterlich bezeichnen könnte. Und welch Überraschung: Es gab sofort eine gröbere Betriebsstörung im Bereich Südtiroler Platz, wegen der nicht nur die Linie U1 nicht verkehren konnte. Das stimmt richtig zuversichtlich für die kommenden Monate.

Beim Ausweichen auf Straßenbahnen wiederum durfte ich feststellen, dass diese - wohl aufgrund der witterungsbedingt erhöhten Schleudergefahr - im Bummeltempo unterwegs waren. Aber gut, Sicherheit geht vor, nicht wahr?

Besonders erfreulich ist für mich auch die seit letztem Oktober neue, serviceverbesserte Line 2. Es hat einen unglaublichen Unterhaltungswert, dass der angeblich drei- bis sechsminütige Intervall zu Stoßzeiten schon im Spätsommer in der Praxis mit Regelmäßigkeit auf acht Minuten anwächst. Bei schlechter Witterung wird es sogar noch besser, da sind dann zehn Minuten, die man in Wind und Wetter warten darf, um die Launen der Natur zu genießen, keine Seltenheit! Mein Rekord in dieser Woche waren übrigens 14 Minuten Wartezeit bei der Linie 2 - bei einem wie gesagt vorgeblich drei- bis sechsminütigen Intervall.

Warum sollte ich also nochmals die Jahreskarte erneuern? Ach ja richtig, da gab es etwas. Ich steige ja am Karlsplatz um (U1 zu Linie 2), wo die Wiener Linien besonders gerne schwerpunktmäßige Fahrtausweiskontrollen durchführen. Ein völliger Verzicht auf ein gültiges Ticket ist mir im Gegensatz etwa zu Nutzern bestimmter Buslinien also aufgrund der diskriminierenden Kontrollpolitik der Wiener Linien nicht kosteneffizient möglich.

Ganz nebenbei: Wieso braucht eine U-Bahn-Station eigentlich Schwerpunktkontrollen? In manchen anderen Städten (z.B. London) gibt es revolutionäre neue Systeme, die einen Zugang zu Schnellverbindungen überhaupt nur mit gültigem Fahrtausweis erlauben. Vielleicht sollten die Wiener Linien einen ähnlichen Ansatz in Erwägung ziehen, wenn er sic endlich andernorts über Jahrzehnte bewährt hat - also, naja, so jetzt dann langsam mal endlich?

Ich bin sicher, diese Kritik kann von denn Wiener Linien unter Verweis auf irgendwelche Verkehrsexperten abgeschmettert werden. Das ist nun einmal das schöne an Experten: Sie haben ihren Preis.

Für mich verbleit dennoch die Tatsache, dass ich mit Ende dieses Monats 449 Euro investieren darf, um im Voraus für Leistungen zu bezahlen, welche die Wiener Linien auch im kommenden Jahr nicht wie fahrplanmäßig zugesichert erbringen werden. Und das regelmäßig, nicht nur fallweise.

Ich frage mich, ob ein wirklich privatwirtschaftlicher Dienstleister lange mit solchen Praktiken durchkäme...

Mit freundlichen Grüßen,

Thomas Pichler

Freitag, 17. Juli 2009

Werbung und Religionsfreiheit für Atheisten - und Agnostiker

Was hat der Österreichische Werberat mit Religionsfreiheit zu tun? Offensichtlich erschreckend wenig, wenn es um atheistische Werbekampagnen geht, wie man sich etwa diese Beitrag auf DiePresse.com ansehen kann [seltsamer Link, wird also wahrscheinlich nur zeitlich begrenzt stimmen].

Nur mit sehr knapper Mehrheit entschied der Rat, "dass auch für den Atheismus das Prinzip der Religionsfreiheit gilt“

So ähnlich liest sich das auch bei derStandard.at und in der Wiener Zeitung. Mit knapper Mehrheit also? Da möchte man doch Mäuschen sein und hören, mit welchen Argumenten die knappe Minderheit sich dagegen ausgesprochen hat. Sonderlich logisch stichhaltig können sie jedenfalls nicht gewesen sein - das Atheismus keine Tempel kennt, dürft vornehmlich daran liegen, dass diese Form des Glaubens nun mal nichts hat, was man dort anbeten würde. (Womit übrigens quasi bewiesen wäre, dass Atheismus nicht gleich Kapitalismus ist - Börsen als Anbetungsstellen von Dollar, Euro, Pfund und anderen minderen Götzen gibt es.)

Besonders abendlandtreu gibt sich jedenfalls angesichts von Plakatsprüchen wie "Es gibt keinen Gott" das U-Bahn-Blättchen Heute in seinem Bericht(?).

„Ich sehe das als brutale Grenzüberschreitung. Sollen sich doch diese Atheisten trauen, mit ,Allah-ist-tot‘-Riesenplakaten durch Bagdad oder Teheran zu fahren“, rät einer der vielen Protest-Anrufer in der „Heute“-Redaktion

Das ist wahrlich eine Meinung, die auch abgedruckt (17. Juli 2009) werden musste! Ein Schelm, der dabei denkt, dass es wirklich schade ist, dass sich der christliche Fundamentalismus in Mitteleuropa nicht mehr in diesem Ausmaß halten konnte, es seinen Verfechtern (wie dem obig zitierten) aber sicherlich frei steht, eine Green Card zu beantragen, um dann in den USA glücklich und zufrieden unter jenen wahren Gläubigen zu leben, die sogar das Lehren der Evolutionstheorie aus öffentlichen Bildungseinrichtungen verbannen wollen.

So, und jetzt zu einem der Instigatoren der Plakatkampagne, ein Verein, der sich kecker weise AtheistInnen und AgnostikerInnen für ein säkulares Österreich (AG-ATHE) nennt.

Es kommt dan AG-ATHE, wie es kommen muss. Ich erinnere mich an einen Bedarf, den ich vor über einem Jahr nicht ganz ernst meinte: Den nach einer Church of Evangelical Agnosticism. Als deren in Ermangelung eines fetten PR-Budgets nach wie vor einziges Mitglied sehe ich mich zu folgendem Statement gezwungen:

Die eineindeutige Aussage "Es gibt keinen Gott" gibt ein rein atheistisch-fundamentalistischen Sinninhalt wieder, der in direktem Widerspruch zu einer tatsächlich agnostischen Überzeugung steht. Daher fordere ich den Verein AG-ATHE dazu auf, sich entweder von der zu dezitiert atheistischen Kampagne zu distanzieren oder aber den Anspruch auf die Repräsentanz wahrer Agnostiker aus dem Vereinstitel zu streichen. Denn eine Unterstützung einer definitiv atheistischen Kampagne durch die AG-ATHE kommt einer weiteren Diskriminierung überzeugter Agnostiker gleich und widerspricht somit direkt den vorgeblichen Zielen des Vereins.

In eigener Sache möchte ich alle Leser bitten, diese Botschaft weiterzutragen - offensichtlich ist es wirklich Zeit, sich für die Ziele von Agnostikern einzusetzen.

Samstag, 27. Juni 2009

Glaube und Wissenschaft

Weil es mir gerade so durch den Kopf ging:

Ich glaube an Urknall, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Raumes und linearer Zeit,
und an die Masse, eine grundlgende Materieeigenschaft, unsern Herrn,
empfangen durch das Higgs-Boson,
geboren aus dem Higgs-Feld…


Bevor jetzt irgendein fundamentalistischer Atheist nach den Steinen greift, darf ich um greifbarere Beweise bitten, als sie für das christlich-katholische Vorbild dieser Textpassage vorliegen.

Übrigens, ich weiß, dass Aussagen über den Zeitraum vor einer Planck-Zeit aus physikalischer Sicht bedeutungslos sind. Das wäre ja geradezu so, als würde man fragen: "Wann war nochmal Gott?"

Nichts gegen die Wissenschaft. Aber im Internet habe ich schon zu oft Atheisten gesehen, die in ihrem Fundamentalismus keinem Christen oder Moslem nachstehen. Daher sei hier festgehalten: Die Mathematik als Sprache der theoretischen Physik hat schon ein wenig etwas von einer lingua latina nova...

Freitag, 15. Mai 2009

Kräht der Hahn hoch auf dem Mist...

... handelt es sich in Österreich leider nicht immer um eine scherzhafte Bauernregel, wie es scheint.

Wenn man den Mist nämlich mit der Wissenschaftspolitik gleichsetzt, heißt der Hahn mit Vornamen Johannes, gehört der ÖVP an und hat sich seines Zeichens als absolut adäquater Nachfolger für Elisabeth Gehrer entpuppt.

Konkret geht es hier um den von Hahn propagierten Ausstieg Österreichs aus dem CERN-Projekt. Dass Hahn sich offenbar nicht bewusst ist, welches Signal ein solches Vorgehen in der wissenschaftlichen Welt setzt, ist dabei nur die Spitze eines Eisbergs.

Ich selbst durfte rund ums Thema IT-Offensive 2020 darüber berichten, dass der Fachverband Unternehmensberatung und Informationstechnologie (UBIT) der Wirtschaftskammer Österreich erst kürzlich betont hat, wie wichtig die Förderung der heimischen Spitzenforschung ist. (Manchmal hat es fast den Eindruck, dass es von Vorteil wäre, wenn VP-nahe Organisationen mehr Einfluss auf die Politik hätten... oder zumindest auf VP-Politiker.)

Und Sputzenforschung ist hier das Schlüsselwort. Obgleich der UBIT natürlich dem Bereich der IT näher steht als der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung, scheint man sich dort sehr wohl bewusst, dass Spitze nicht nur das ist, was unmittelbar sichtbaren Wert hat, sondern eben auch das, was Grundlagen für wissenschaftliches Verständnis und weitere Forschung schafft. Und ebenso weiß man beim UBIT, so der Eindruck von der Presseveranstaltung, dass es letztendlich auch in der Forschung um Prestige geht - etwa das Prestige eines Standortes. Warum sonst sollte man Einrichtungen wie die ETH Zürich und das Massachusetts Institute of Technology (MIT) als Vorbilder nennen? (Und ja, auch das MIT beschäftigt hochtheoretische Physiker, die nur schwerlich all zu greifbare Ergebnisse aus Kosmologie oder Stringtheorie liefern dürften.)

Diese Einsichten sind wohl bis zum Wissenschaftsminister Hahn nicht durchgedrungen, sonst würde er nicht von der Umverteilung von Geldern zu anderen Projekten sprechen. CERN ist ein Prestige-Projekt und mit dem LHC wird man auf die Jagd nach fundamentalsten Erkenntnissen über die Natur des Universums - des Seins an sich - gehen. Welch anderes Projekt soll ähnliches Prestige tragen können?

Meine Vermutung wäre ja, dass Johannes Hahn - seines Zeichens übrigens Doktor der Philosophie und nicht ganz unumstritten - Gelder in unmittelbar greifbarere Projekte verschieben will. Beispielsweise in den Bereich der sehr praxisorientierten und gerade in Zeiten der Finanzkrise doch sicherlich über jeden Zweifel erhabenen Wirtschaftswissenschaften...

Übrigens, nur so als Beispiel, dass auch ein Grundlagenforschungszentrum wie CERN zu greifbaren Resultaten führen kann: Willkommen auf meinem Blog. Willkommen im World Wide Web.

Mittwoch, 29. April 2009

Was bedeutet "verdient"?

Anstoß für das erste echte Posting ist folgende Meldung der APA: Topverdiener sitzen in OMV, Andritz und Erste.

Anstößig ist daran folgender Satz aus dem einleitenden Absatz:
Im Schnitt verdienten die ATX-Manager im Vorjahr das 48-fache eines Beschäftigten ihres Unternehmens.

Problematisch ist hier die Verwendung des Wortes "verdienen", da dieses eigentlich nicht objektiv ist. Denn "verdienen" bedeutet unter anderem zu Recht bekommen.

Die Verwendung des Wortes "verdienen" ist somit journalistisch gesehen fragwürdig, da die moralische Berechtigung des 48-fachen Einkommens für Manager im Vergleich zu Durchschnittsbeschäftigten im Beitrag nicht nur nicht nachgewiesen, sondern mit dem Zitat der AK-Forderung sogar eher angezweifelt wird.

Sollte jemand von der APA - oder einem der vielen anderen Medien, welche die von mir zitierte Passage praktisch oder gänzlich unverändert übernommen haben - dies lesen, hier ein vielleicht hilfreiche Liste von alternativen Ausdrücken zu "verdienen", denen es nicht so eklatant an Objektivität mangelt:

  • bezahlt bekommen
  • beziehen
  • einnehmen
  • erhalten
  • Einkünfte haben
  • kassieren

    Meine Freundin schlug "ergaunern" vor - aber das wäre eine Vorverurteilung und damit ebenso fragwürdig wie der ursprüngliche "Vorfreispruch".
  • Perspektiefe

    Blogs. Okay, viele habe eines, kaum jemand braucht eines. Meinereiner hat sich mehrmals mit nicht-so-grandiosen Ideen versucht und diese nun verworfen.

    Auf ein Neues: Perspektiefe.

    All zu subjektiver, oberflächlicher Ergüsse (für anglophile: "rants") sind keine wirklich tolles Gegnstück zu Journalismus, dem es an Objektivität und Tiefe mangelt.

    Daher der Ansatz Perspektiefe: Ein wenig tiefer gehen und damit die mangelnde Objektivität illustrieren. Vielleicht hält mich das intensiver am bloggen.